……Leonie Bröcheler, Referentin für transformative Bildung bei WEED und Campaignerin für das Bündnis „Sport handelt Fair“

Frau Bröcheler, Anfang des Jahres hat sich die Kampagne „Sport handelt fair“ in einem offenen Brief an die Firma adidas gewandt, die Hauptsponsorin der Fußballeuropameisterschaft 2024 ist. 49 Organisationen haben sich diesem Brief bundesweit angeschlossen.
Was war sein Hauptanliegen?

Der Hauptmotivationsgrund für den Brief war, dass in den Lieferketten von Sportartikelherstellern immer noch einiges schiefläuft, sowohl mit Blick auf soziale als auch ökologische Aspekte. Das haben wir zuletzt auch bei dem WM Trikot von 2022, das adidas u.a. mit Falschinformationen als nachhaltig vermarktet hatte, da es aus recyceltem Polyester gefertigt war, gesehen. Das verwendete Polyester wurde auch aus Müll hergestellt, der unter erbärmlichen Bedingungen auch von Kindern gesammelt worden war. Außerdem wurde nachgewiesen, dass die fertigen Trikots mit jedem Waschgang das Abwasser mit enormen Mengen Mikroplastik verunreinigen. Wir glauben das geht besser und wollten deshalb bei adidas nachfragen, welche Bemühungen unternommen werden, um den Missständen zu begegnen.

Welche konkreten Forderungen und Fragen haben Sie gestellt?

Wir fordern mehr Transparenz über die Lieferketten und zwar ab dem ersten Produktionsschritt, also der Rohstoffbeschaffung, sowie ehrliche Transparenz über Nachhaltigkeitsbemühungen. Transparenz ist die Grundvoraussetzung, um den Schutz von Menschenrechten aber auch der Umwelt in Lieferketten umzusetzen. Nur wenn bekannt und transparent ist, wo auf der Welt Menschen in Lieferketten involviert sind, können diese Menschen zu Rechteinhabenden werden und deutsche Unternehmen dafür haftbar gemacht werden, falls die Rechte dieser Menschen missachtet werden. Deshalb haben wir adidas auch explizit gefragt, wie und wo die EM-Trikots gefertigt werden und auch, ob das gleiche Garn von Far Eastern New Century wie für die Trikots für die WM 2022 verwendet wird.

Was hat adidas geantwortet?

Von Adidas Antwort zu Beschwerden von Arbeiter*innen in Zuliefererbetrieben war ich positiv überrascht. Auf andere Fragen ging adidas leider nur sehr geringfügig oder gar nicht ein. Das gilt insbesondere für unser Hauptanliegen und die Frage nach der Materialbeschaffung. Adidas verweist auf eine Liste der Zulieferer, gibt jedoch keine Informationen zur Herkunft der Materialien Preis. Wir wissen also nicht, aus welchem Garn die Trikots sind und wo die vorgeschalteten Produktionsschritte stattfinden.

Wie ist Ihre Einschätzung zu dieser Antwort?

Ich war etwas ernüchtert über die Antwort und die Fehlerkultur bei adidas. Auf unsere konkrete Nachfrage, wie es zu der Kinderarbeit und den falschen Informationen bei der Herstellung des WM Trikots 2022 kommen konnte und wie damit umgegangen wird, wurde überhaupt nicht eingegangen. Es blieb mir unverständlich, dass adidas in der Antwort betont, dass 96% des verwendeten Polyesters aus recyceltem Material stammen, jedoch nicht auf unsere Bedenken zur Beschaffung dieses Materials, auch hinsichtlich des Risikos für ausbeuterische Kinderarbeit, eingeht. Auch unsere Bedenken zur Mikroplastikbelastung durch die Verwendung des recycelten Polyesters blieben völlig unbeachtet.

Wie geht es jetzt weiter?

Wir schauen weiter hin und solidarisieren uns mit den Menschen, die unter den Geschäftspraktiken deutscher Unternehmen leiden. Ich persönlich denke, dass das EU-Lieferkettengesetz, das erst vor zwei Wochen vom EU-Parlament beschlossen wurde, ein wichtiger Schritt ist, Unternehmen mehr in die Verantwortung zu nehmen. Große Unternehmen werden gesetzlich verpflichtet menschenrechtliche und bestimmte umweltbezogene Risiken in ihren Wertschöpfungsketten zu ermitteln, Präventions- und Abhilfemaßnahmen zu ergreifen und darüber zu berichten. Die Zeit des Wegguckens und der Ausreden ist dann hoffentlich vorbei.

Vielen Dank für das Gespräch!

Mehr Infos www.sporthandeltfair.com

Foto: WEED, Fotografin J. Marke