…Gifty Amo Antwi, Geschäftsführerin des Weltladen-Dachverbandes

Frau Amo Antwi, seit Anfang des Jahres sind Sie Geschäftsführerin des Weltladen-Dachverbandes. Wie hat sich Ihr Weg dahin gestaltet?

In den 00er Jahren habe ich Ethnologie, Politik und Soziologie in Mainz studiert und gleichzeitig ehrenamtlich im Weltladen Mainz gearbeitet. Neben dem Verkauf habe ich auch erste Erfahrungen in der Bildungsarbeit gesammelt und bin dann ins Hauptamt gewechselt, wo ich einige Jahre als Bildungsreferentin tätig war. Im Jahr 2016 habe ich zusammen mit Julian Schroeder die Geschäftsführung übernommen und war vor allem für das operative Tagesgeschäft des Ladens verantwortlich. Nach so vielen Jahren im Weltladen Mainz reizte mich eine Veränderung, und so hat sich die Stelle beim Dachverband ergeben. Ich freue mich über die neuen Herausforderungen, die diese Tätigkeit mit sich bringt und hoffe, dass meine Innenansicht der Weltläden die Bewegung mit voranbringt.

Sind Sie gut in Ihrem neuen Job angekommen?

Ja, ich bin sehr gut reingekommen. Das Team der Geschäftsstelle hat mir einen super Einstieg bereitet und mich herzlich aufgenommen. Ich habe sehr durchdachte und gut organisierte Strukturen vorgefunden, auf denen weiter aufgebaut werden kann. In so einem Job geht es aber natürlich von Null auf 100 los. Es sind viele Themen, mit denen der Dachverband sich beschäftigt und es müssen viele kleine und große Entscheidungen getroffen werden.

Seit 25 Jahren engagieren Sie sich schon für Fairen Handel. Was treibt Sie an?

Es gibt da ein sehr schönes Zitat von Audre Lorde: „I am not free while any woman is unfree, even when her shackles are very different from my own.“ Das Zitat spricht den Kampf von Frauen für ihre Rechte an. Es lässt sich aber auch gut auf viele andere Themen und Inhalte übertragen. Solange die Menschen im Globalen Süden strukturell benachteiligt sind, sind wir eigentlich alle nicht frei. Und den Ansatz des Fairen Handels, Fairness auch durch Handel herzustellen, finde ich nach über 50 Jahren noch immer bestechend.

Sie stehen als erste Frau an der Spitze des Weltladen-Dachverbandes. Spielt das für Sie eine Rolle?

Es sollte keine Rolle spielen, spielt aber leider eine. Die Perspektive einer Schwarzen deutschen Frau ist wichtig, weil sie eine einzigartige und oft unterrepräsentierte Stimme innerhalb der Gesellschaft darstellt. Ich habe beispielsweise einen anderen Blick auf Stereotype im Fairen Handel als das eine weiße Person hätte. Ich denke, dass deutsche Institutionen und Organisationen diverser sein müssen, da unsere Gesellschaft divers ist und wir die verschiedenen Perspektiven und Blickwinkel der Gesellschaft möglichst gut abbilden müssen. Insgesamt ist diese Perspektive außerdem wichtig, um eine inklusive, gerechte und vielfältige Gesellschaft aufzubauen, in der alle Stimmen gehört und geschätzt werden.

Wo sehen Sie aktuell die größten Herausforderungen für Weltläden und den Fairen Handel?

Für Weltläden besteht eine der größten Herausforderungen darin, das Bewusstsein der Verbraucher*innen für den Fairen Handel der Weltläden und die Bedeutung des Einkaufs von fair gehandelten Produkten zu erhöhen und damit vor allem die soziale Gerechtigkeit zu steigern. Zudem kämpft die Weltladen-Bewegung mit Nachwuchsproblemen. Auf den globalen Fairen Handel bezogen beeinträchtigen der Klimawandel und Umweltprobleme wie Dürren, Überschwemmungen und Bodenerosion die landwirtschaftliche Produktion und die Existenzgrundlage von Kleinbäuer*innen und Produzent*innen.

Wo soll es hingehen mit den Weltläden? Gibt es neue Ideen und Perspektiven?

Die nächsten Aufgaben und längerfristigen Strategien für Weltläden sind vielfältig und zielen darauf ab, sowohl die kurzfristigen Herausforderungen zu bewältigen als auch langfristige Nachhaltigkeit und Wirkung zu sichern. Kurzfristig müssen Weltläden weiterhin flexible und kreative Lösungen finden, um auf die durch die Pandemie und Inflation verursachten Veränderungen im Einkaufsverhalten zu reagieren. Langfristig ist entscheidend, dass Weltläden die Fähigkeit ausbauen, auf globale Herausforderungen wie Klimawandel, wirtschaftliche Schwankungen und politische Unsicherheiten zu reagieren. Dies erfordert flexible Geschäftsmodelle und die Fähigkeit, schnell auf Veränderungen zu reagieren. Indem Weltläden sich auf diese kurz- und langfristigen Strategien konzentrieren, können sie nicht nur ihre unmittelbaren Herausforderungen bewältigen, sondern auch einen nachhaltigeren und gerechteren globalen Handel fördern.

Vielen Dank für das Gespräch!

www.weltladen.de